Introduktion zur Sektion AFRIKA

Meine Begegnung mit Afrika
Privatedition, Dezember 1996

Meine erste Begegnung mit Afrika fand – ideell – in meiner Kindheit – statt, als ich bei meinem Großvater Schriften über die „Kolonien“ in die Finger bekam. Ich erinnere mich an ein graues Büchlein, verfasst von Major Leutwein, der zeitweilig Gouverneur von „Deutsch-Südwestafrika“gewesen war. Dort las ich über die Hereros und Hottentotten: über Häuptling Hendrik und die deutsche „Schutztruppe“, über Windhuk und Lüderitzbucht. Solche Lektüre weckte

mein Interesse und belebte meine Phantasie. In der frühen Jugendzeit erhielt ich dann auf meinen *Wunsch hin „das Buch der Kolonien“, durch das sich mein „kolonialer“ Horizontt beträchtlich erweiterte: Ich entdecke Togo und Kamerun, Deutsch-Ostafrika, „Kaiser-Wilhelmsland‘ und sogar Kiautschau und Tsringstau. Ich las, was es an Afrikaliteratur in jenen mageren Jahren der Vorkriegszeit gab. Lange nährte ich einen unklaren Traum: Farmer in „Südwest“ wollte ich werden. Dann kam der Krieg; danach ging ich zum Studium nach Neuendettelsau, wo Neu Guinea eher als Drohung in der mir noch sehr fern erscheinenden Zukunft stand und wo Brasilien mir schließlich zum Schicksal wurde; doch nach der Rückkehr in die EKD – konkret in das weltoffene Frankfurt am Main – holte mich „die große, weite Welt“, d. h. neben Brasilien und anderen lateinamerikanischen Ländern, auch Afrika und Ostasien wieder ein, einschließlich Irian Jaya, also die indonesische Hlfte von Neu Guinea!

In den zwanzig Jahren beim Ökumenischen Studienwerk Bochum reiste ich regelm!ßig dienstlich in „südliche“ Länder, beginnend nit einer ausgedehnten Südamerikareise im Sommer 1972; 1973 folgte die erste Reise ins östliche Afrika und 1974 schloß sich daran mein erster Besuch in der Region Ost- und Südostasien an.

In den zwanzig BochumerJahren betrat ich neunmal afrikanischen Boden. Bei den zumeist wiederholten Besuchen in den betreffenden Ländern – es mag ein gutes Dutzend gewesen sein – ging es vor allen Dingen um Fragen der Bildung, Politik und Kultur, was nicht heßt, dass touristische Aspekte völlig unter den Tisch gefallen wären.

Mein „afrikanisches Bilderbuch“, das – neben vielen siides und Schmalfilmstreifen – mit einschlägigen Motiven – im Laufe zweier Jahrzehnte entstanden ist, widerspiegelt jedenfalls im wesentlichen meine entwicklungspolitischen, kulturellen und manchmal auch historiographischen Interessen sowie das Engagement für Studenten und akademische Lehrer, die einer weiteren Qualifizierung in Übersee bedurften. Nicht selten befanden sich unter den Stipendiaten auch rassisch und politisch Verfolgte, denen dann meine besondere Zuwendung galt.
Ich schaffe mir – zur persönlichen Erinnerung an eine faszinierende Welt in einer bewegten Zeit mit diesem „Album“ mein eigenes afrikanisches Bilderbuch und freue mich, wenn auch ein paar interessierte Verwandte und Freunde gelegentlich mit mir darin blättern…

Nürnberg Weihnachten 1996

 

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Vorspann Äthiopien

 

Bereits als Kind vernahm ich zum ersten Mal von „Abessinien“, wie dieses Land seinerzeit bezeichnet wurde; Anlass der Beachtung dieses fernen Landes, in dem der „Negus“ regierte, war der von Mussolini entfesselte Krieg,
der die Äthiopier für Jahre zu einem Kolonialvolk unter der Herrschaft Italiens machen sollte. Mit Kaiser Haile Selassie, der die mediterranen Eindringlinge vertrieb, begann eine neue Ära. Die Hauptstadt, Addis Abeba, wurde zum Sitz der Afrikanischen Union, zu der die Völker des Kontinents sich zusammenschlossen. nachdem sie endlich ihre förmliche „Unabhängigkeit“ erkämpft hatten. Im Jahre 1973 führte mich meine erste Reise im Auftrag des Ökumenischen Studienwerks Bochum nach Addis Abeba.

 

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Vorspann Sambia

 

1973, bei meinem ersten Besuch im Lande, war noch deutlich zu verspüren, dass es sich in der Phase des Übergangs aus der Kolonialzeit in die Unabhängigkeit befand. Dies war am Stand der Volkswirtschaft ebenso zu erkennen, wie am Bemühen der Politik, dem Volk klar zu machen, dass über längere Zeit Schalhans Küchenmeister in Sambia sein werde. Es mangelte nicht allein an „Luxus“, wie man ihn bei den Kolonialherren beobachtet hatte, der Mangel erstreckte sich auch auf den öffentlichen Sektor und speziell aof die „manpower“. Umso wichtiger war es, der Regierung Sambis die Hand zu reichen und sie im Bereich der Bildung zu unterstützen.

 

 

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Introduktion ASIA Mission in Fernost

Mission in Fernost
Auf den Spuren Vasco da Gamas
Privatedition 1998
Merkwürdige Reisen im fernsten Asien – so lautet der Titel des 1671 in deutscher Übersetzung erscchienenen Reiseberichts des portugiesischen Autors Fernão Mendes Pinto. Ein solches Motto erscheint mir auch im Blick auf meine eigenen Besuche in Fernost recht treffend zu sein, weil es alles unter einen topos subsummiert: Von Bochum nach Jakarta; vom Ökumenischen Studienwerk zur Korea Christian Academy; von Westfalen nach Tamil Nadu; vom Ökumenischen Stipendienprogramm der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Ministry of Education in Vietnam, und wie sonstige weitere wohlklingende Komparationen vielleicht noch lauten könnten.

Von 1974, meiner ersten Reise nach Asien an, bis zu meiner Emeritierung im Jahre 1992 führte mich meine ökumenische Mission ein halbes Dutzend Mal nach Indonesien und Thailand, mehrmals nach Indien und Korea, zweimal nach Vietnam und auf die Philippinen, einmal auch nach Myanmar, dem früheren Burma oder „Hinterindien“, wie es in einer durch und durch eurozentrischen Fachsprache lange Zeit bezeichnet worden war. Des weiteren hatte ich Gelegenheit, einen Eindruck von Singapore, Hongkong und Malaysia zu gewinnerl sowie in Colombo (Sri Lanka) – Teheran (Iran – früher Persien), Karachi (Pakistan) und „Formosa“, der „Schönen“, wie die Portugiesen diese, dem chinesischen Festland vorgelagerte Insel einst genannt hatten (heute Taiwan), zwischenzulanden. Bald wurde mir bewusst, dass ich bei meinen Reisen in Süd- und Ostasien – vor allen Dingen jedoch in Südostasien – bis in die Sprache und Gestik hinein weithin sozusagen auf den Spuren Marco Polos und Vasco da Gamas wandelte.

In der Retrospektive und in den Annotationen eines europäischen Beobachters – Momentaufnahmen vergleichbar, wie die dem Text beigefügten Fotos – reflektieren sich neben seinen Entdeckungen vor Ort zugleich seine eigenen nostalgias, ideosincrasias und preconceitos, so wie sie auch dessen religionsgeschichtliche und historiographische Interessen verraten und seine Hochschätzung der valores lusotropicais, denen er in Fernost sozusagen auf Schritt und Tritt begegnete. Von seinem ökumenischen Auftrag her verstand es sich von selbst, dass für den Reisenden Bildungs- und Entwicklungspolitik – nicht selten mit Menschenrectrtsaspekten verquickt – den ersten Platz einnahmen, und dass eine intensivere Beschäftigung mit der jeweils spezifischen „Kultur“ des bereisten Landes häufig eher „per Papier“ und gelegentlich erst „post eventum“ stattfinden konnte. Etwas sight seeing war jedoch mit seinen Besuchen in Ost- und Südostasien in den meisten Fällen sozusagen ganz selbstverständlich verbunden.
Bei den folgenden Texten zu einzelnen Ländern handelt es sich um den Versuch der Skizzierung einer zum Zeitpurkt des Besuches aktuellen soziopolitischen Situation. In manchen Ländern haben sich die Verhältnisse seither deutlich verändert, wie z. B. in Korea oder in Indonesien. Endgültige Urteile waren
weder möglich noch statthaft, da die Entwicklung nirgendwo stehen bleibt, sondern beständig fortschreitet. Wäre ich jedoch genötigt, meine „asiatische Erfahrung“ auf einen kurzen Nenner zu bringen, würde ich – neben Freundschaft und Solidarität – (vielleiclrt analog zur „sprichwörtlichen“ cordialidade brasileira)

von der alles andere überragenden konfuzianisch-buddhistischen kindness in Fernost sprechen. In einem Abschiedswort aus Anlass meines Eintritts in den Ruhestand habe ich 1992, um mein Verhältnis zum Kontinent Asien sozusagen „stenographisch“ zu beschreiben, in den – in Englisch editierten – „ÖSW News“ ein altes amerikanisches Gedicht zitiert, mit dem uns während unserer Seminarzeit in Neuendettelsau unser exzellenter Englischlehrer Hans Schwarz bekannt gemacht hatte:

*What is good?‘
I asked in musing mood.
„Order“, said the law court;
„Knowledge“, said the school;
„Truth“, said the wise man;
„Pleasure“, said the fool;
„Love“, said the maiden;
„Beauty’“, said the page;
„Freedom“, said the dreamer;
„Home“, said the sage;
„Fame“, said the soldier;
„Equity“ the sear; –
Spoke my heart full sadly,
„The answer is not.there“.
Then within my bosom
softly I this heard:
„Each heart holds the secret –
KINDNESS is the word.“

Dem Alter, so scheint mir mit zunehmenden Jahren, bleibt im Grunde nichts als das Sich-Erinnern. Wahrscheinlich ist die in Buchstaben und Bildern manifestierte Erinnerung das Beste, was ein oriundus der folgenden Generation hinterlassen kann.
Der spanische Exulant Leon Felipe – Ganaras la luz – hinterließ uns u. a. ein Gedicht, rnit dem ich mich bewusst identifizieren möchte, und in dem es heißt:

„Yo soy un vagabundo,
yo no soy mäs que un vagabundo sin ciudad,
sin decálogo y sin tribu.
Y mi exodo es ya viejo.
En mis ropas duerme el polvo de todos los caminos.“
Ich bin ein Vagabund,
nichts anderes bin ich als ein Vagabund
ohne festen Wohnsitz,
ohne Gesetz und ohne Sippe.
Und mein Abschiednehmen begann bereits
vor langer Zeit.
In meinen Kleidern sitzt der Staub aller Straßen.

Es un poco del polvo de todos los caminos, lo que en estas páginas el vagabundo con toda la simpatia del mundo ofrece al distinguido lector.

Nürnberg 1998 H. Dressel

 

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