Pastor Heinz Dressel: Hamba Kahle!

Kämpfer für Menschenrechte

Pfarrer Heinz Dressel ist in Nürnberg verstorben

Der evangelische Theologe Heinz F. Dressel hat Hunderten von Menschen vor allem aus Lateinamerika das Leben gerettet. Jetzt ist er im Alter von 88 Jahren in Nürnberg gestorben.

NÜRNBERG — In Marktredwitz wurde er 1929 geboren, in Neuendettelsau hat er Theologie studiert — und dann die Region für viele Jahrzehnte verlassen. Zwischen 1952 und 1968 wirkte Heinz Dressel in mehreren Orten Brasiliens im Bundesstaat Rio Grande do Sul. Dabei entwickelte er ein feines Gespür für die sozialen Probleme Lateinamerikas und die Gefahren durch Diktaturen.

Diese Erfahrung hat er sich bewahrt, als er—nach einer Zwischenstation in Frankfurt — ab 1972 das Ökumenische Studienwerk in Bochum für 20 Jahre leitete. Er verhalf politisch engagierten jungen Menschen zur Flucht nach Deutschland, wenn sie in einer Diktatur wie damals Chile oder Argentinien lebten. Oder in einem Willkür-Regime in Afrika oder Asien. Er besorgte ihnen Stipendien und Studienplätze, ermöglichte so die Einreise in die Bundesrepublik und rettete auf diese Weise Hunderten Verfolgten das Leben. Für diese Verdienste um die Menschenrechte wurde er vor zehn Jahren von Argentinien und Chile mit hohen Auszeichnungen bedacht; siewurden in einer gemeinsamen Zeremonie beider Länder überreicht.

1992 führte der Weg Heinz Dressels nach Nürnberg zurück; durch Veröffentlichungen und auch auf Reisen nach Lateinamerika und Afrika setzte er sich weiter für die Menschenrechte ein. Heinz F. Dressel wurde 88 Jahre alt

NN-Artikel

Nürnberger Nachrichten
Montag, 7. August 2017


Pastor Heinz Dressel: Hamba Kahle!

von Jack Jagers

Wir Südafrikaner begrüßen normalerweise unsere geliebten Söhe (und Töchter!) mit „Hamba Kahle!“ als Zeichen von Respekt, Liebe nd Verehrung. Es bedeutet etwas Annliches wie „es soll dir gut gehen“ oder „Möge der Wind immer hinter deinem Rücken wehen“. Lieder zur Ehre unserer Mandelas, Tutus oder Befreiungsorgane fangen häufig an
mit „Hamba Kahle!“. Damit möchte ich auch Pastor Dressel begrüßen:

Hamba Kahle!.

lmplizit bedeutet es natürlieh, daß die goldenen Jahre jetzt nicht zu Ende sind. Jetzt gibt es meh r Zeit, um an speziellen Projekten zu arbeiten. Meine Mutter, Marion Jagers, die vor einigen Jahren in den Ruhestand gegangen ist, hat damals gleich angefangen, mit der Jugend zu arbeiten; als Siebzigjährige hat sie nun begonnen, lnformatik zu lernen.

Die vielen Kontakte mit Pastor Dressel als Direktor des ÖSW, als Pastor oder als Vertrauenspartner haben mich sehr positiv beeinflußt. Als Südafrikaner, der in einem Land aufgewachsen ist, in dem die sogenannten Rassen per Gesetz von der Geburt bis zum Tode von einander getrennt leben mußten, hatte ich natürlich von Anfang an viele Unsicherheiten gehabt. Gleichwohl kritisch Denkende ahnten, dass es doch möglich sein könnte, zu denken, dass alle Menschen gleich sind, hat man davon in Südafrika wenig zu spüren bekommen, und wenn, dann nur in quasi konspirativen Gruppen Gleichgesinnter. Vor diesem Hintergrund habe ich die ÖSW-Cemeinschaft immer als erfrischend anders erlebt. Als ich dann bei öSW-Versammlungen diese Offenheit erfuhr, war ich sehr
positiv überrascht. Die Solidarität, der ganzen ÖSW-eemeinsehaft miteinander war nicht zu trennen von der Person Pastor Dressels.

lch bin jemand, der fleißig Notizen von Vorträgen Pastor Dressels gemacht hat. Folgendes Beispiel aus einer seiner Predigten ist nur eins von vielen, das zeigt, mit welcher Offenheit Pastor Dressel herangeht an die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden: Ein Frofessor traf einmal einen Fischer, während dieser am Ufer angelte. Er fragte den Fischer, ob er wüsste, wer das Staatsoberhaupt des Landes sei. Der Fischer wußte es nicht. Auf die Frage, wer der Bürgermeister des Dorfes war, antwortete der Fischer ebenso negativ. Der Professor äußerte sich äußerst enttäuscht über die Dummheit des Fischers. Der Fischer zeigte daraufhin auf einen Fisch und fragte den Professor, ob er wüßte, welche Sorte Fisch es sei, Er wußte es nicht. Der Fischer zeigte dann einen anderen Fisch und fragte nach dem Namen dieser Fischart. Als der Professor wiederum keine Antwort wußte, war der Fischer sehr enttäuscht: „Dann müssen wir einmal unsere Dumm heit austauschen“.

Bei einer Diskussion mit Schriftgelehrten (Markus 12, 2S-341 stellt einer von ihnen Jesus die Frage, welehes das wichtigste Gebot sei. Jesu Antwort ist zweigeteilt: neben das Gebot, Gott von ganzem Herzen, aus ganzem Denken und ganzer Kraft zu lieben, stellt er das Gebot der Nächstenliebe. Keines von beiden besteht ohne das andere, noch gibt es ein anderes Gebot, das größer wäre. Diese prinzipielle Zuordnung Jesu von Gottesliebe und Nächstenliebe stellt die Liebe zum Nächsten, zum Menschen, auf eine Ebene neben die Liebe zu Gott. Diese Nächstenliebe kennt keine Grenzen. Pastor Dressel verkörpert für mich einen lUlensehen, der in diesem Geist lebt. lmmer wenn es ÖSW-Treffen gab, war Pastor Dressel stets umschart von Vielen, die entweder um Rat baten, die neuesten Heimatnachrichten mit ihm austauschten und evaluierten (sei es über Brasilien, Südafrika, lndien oder Vietnam) oder seinen seelsorgerlichen Beistand erhielten.

Jack Jagers