Introduktion ASIA Mission in Fernost

Mission in Fernost
Auf den Spuren Vasco da Gamas
Privatedition 1998
Merkwürdige Reisen im fernsten Asien – so lautet der Titel des 1671 in deutscher Übersetzung erscchienenen Reiseberichts des portugiesischen Autors Fernão Mendes Pinto. Ein solches Motto erscheint mir auch im Blick auf meine eigenen Besuche in Fernost recht treffend zu sein, weil es alles unter einen topos subsummiert: Von Bochum nach Jakarta; vom Ökumenischen Studienwerk zur Korea Christian Academy; von Westfalen nach Tamil Nadu; vom Ökumenischen Stipendienprogramm der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Ministry of Education in Vietnam, und wie sonstige weitere wohlklingende Komparationen vielleicht noch lauten könnten.

Von 1974, meiner ersten Reise nach Asien an, bis zu meiner Emeritierung im Jahre 1992 führte mich meine ökumenische Mission ein halbes Dutzend Mal nach Indonesien und Thailand, mehrmals nach Indien und Korea, zweimal nach Vietnam und auf die Philippinen, einmal auch nach Myanmar, dem früheren Burma oder „Hinterindien“, wie es in einer durch und durch eurozentrischen Fachsprache lange Zeit bezeichnet worden war. Des weiteren hatte ich Gelegenheit, einen Eindruck von Singapore, Hongkong und Malaysia zu gewinnerl sowie in Colombo (Sri Lanka) – Teheran (Iran – früher Persien), Karachi (Pakistan) und „Formosa“, der „Schönen“, wie die Portugiesen diese, dem chinesischen Festland vorgelagerte Insel einst genannt hatten (heute Taiwan), zwischenzulanden. Bald wurde mir bewusst, dass ich bei meinen Reisen in Süd- und Ostasien – vor allen Dingen jedoch in Südostasien – bis in die Sprache und Gestik hinein weithin sozusagen auf den Spuren Marco Polos und Vasco da Gamas wandelte.

In der Retrospektive und in den Annotationen eines europäischen Beobachters – Momentaufnahmen vergleichbar, wie die dem Text beigefügten Fotos – reflektieren sich neben seinen Entdeckungen vor Ort zugleich seine eigenen nostalgias, ideosincrasias und preconceitos, so wie sie auch dessen religionsgeschichtliche und historiographische Interessen verraten und seine Hochschätzung der valores lusotropicais, denen er in Fernost sozusagen auf Schritt und Tritt begegnete. Von seinem ökumenischen Auftrag her verstand es sich von selbst, dass für den Reisenden Bildungs- und Entwicklungspolitik – nicht selten mit Menschenrectrtsaspekten verquickt – den ersten Platz einnahmen, und dass eine intensivere Beschäftigung mit der jeweils spezifischen „Kultur“ des bereisten Landes häufig eher „per Papier“ und gelegentlich erst „post eventum“ stattfinden konnte. Etwas sight seeing war jedoch mit seinen Besuchen in Ost- und Südostasien in den meisten Fällen sozusagen ganz selbstverständlich verbunden.
Bei den folgenden Texten zu einzelnen Ländern handelt es sich um den Versuch der Skizzierung einer zum Zeitpurkt des Besuches aktuellen soziopolitischen Situation. In manchen Ländern haben sich die Verhältnisse seither deutlich verändert, wie z. B. in Korea oder in Indonesien. Endgültige Urteile waren
weder möglich noch statthaft, da die Entwicklung nirgendwo stehen bleibt, sondern beständig fortschreitet. Wäre ich jedoch genötigt, meine „asiatische Erfahrung“ auf einen kurzen Nenner zu bringen, würde ich – neben Freundschaft und Solidarität – (vielleiclrt analog zur „sprichwörtlichen“ cordialidade brasileira)

von der alles andere überragenden konfuzianisch-buddhistischen kindness in Fernost sprechen. In einem Abschiedswort aus Anlass meines Eintritts in den Ruhestand habe ich 1992, um mein Verhältnis zum Kontinent Asien sozusagen „stenographisch“ zu beschreiben, in den – in Englisch editierten – „ÖSW News“ ein altes amerikanisches Gedicht zitiert, mit dem uns während unserer Seminarzeit in Neuendettelsau unser exzellenter Englischlehrer Hans Schwarz bekannt gemacht hatte:

*What is good?‘
I asked in musing mood.
„Order“, said the law court;
„Knowledge“, said the school;
„Truth“, said the wise man;
„Pleasure“, said the fool;
„Love“, said the maiden;
„Beauty’“, said the page;
„Freedom“, said the dreamer;
„Home“, said the sage;
„Fame“, said the soldier;
„Equity“ the sear; –
Spoke my heart full sadly,
„The answer is not.there“.
Then within my bosom
softly I this heard:
„Each heart holds the secret –
KINDNESS is the word.“

Dem Alter, so scheint mir mit zunehmenden Jahren, bleibt im Grunde nichts als das Sich-Erinnern. Wahrscheinlich ist die in Buchstaben und Bildern manifestierte Erinnerung das Beste, was ein oriundus der folgenden Generation hinterlassen kann.
Der spanische Exulant Leon Felipe – Ganaras la luz – hinterließ uns u. a. ein Gedicht, rnit dem ich mich bewusst identifizieren möchte, und in dem es heißt:

„Yo soy un vagabundo,
yo no soy mäs que un vagabundo sin ciudad,
sin decálogo y sin tribu.
Y mi exodo es ya viejo.
En mis ropas duerme el polvo de todos los caminos.“
Ich bin ein Vagabund,
nichts anderes bin ich als ein Vagabund
ohne festen Wohnsitz,
ohne Gesetz und ohne Sippe.
Und mein Abschiednehmen begann bereits
vor langer Zeit.
In meinen Kleidern sitzt der Staub aller Straßen.

Es un poco del polvo de todos los caminos, lo que en estas páginas el vagabundo con toda la simpatia del mundo ofrece al distinguido lector.

Nürnberg 1998 H. Dressel

 

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Vorspann Ost-Timor

OST-TIMOR

In seinem 1987 erschienenen Büchlein – Cartas de um Comandante no Extremo Oriente – lässt uns der portugiesische Vize-Admiral Pedro Fragoso de Matos anseinen Reisen teilnehmen, die ihn bis hin zu der „wunderbaren, jedochsehr verlassenen, wahrhaftig am Ende der Welt gelegenen, Insel Timor“, führten; „ein Land, in dem die Portugiesen, obgleich sie so wenig dafür getan haben, einen besonderen Platz in der Seele des Volkes einnehmen.“ Mit den Berichten des Vizeadmirals und den Bemerkungen Gilberto Freyres über „0 Luso e o Trópico“ (1961) im Kopf, bestieg ich 1991 in Surabaya eine Maschine der Garuda, die mich über via Denpasar und Kupang nach Dili, der alten Hauptstadt der portugiesischen und danach indonesischen Provinz Timor beförderte.

Als jemand, der vor vier Jahrzehntenten in Brasilien die civilização luso-tropi cal entdeckt hatte, um dieselbe dann 20 Jahre später auch in Afrika, insbesondere in Angola, wiederzufinden, betrat ich Timor erfüllt von jenem „eros“, des Entdeckers beim Erkunden einer Parzelle von terra incognita. Und welche Freude, als, beim Betreten des Hotels, die in Englisch begonnene Kommunikation sogleich durch die (offiziell verbotene) lingua Lusitaniens substituiert wurde …

 

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